Evozierte Potentiale
Jeder Sinnesreiz löst in den sensorischen Arealen der Großhirnrinde elektrische Potentialänderungen aus. Diese evozierten Potentiale werden durch wiederholte Darbietung eines Reizes aufsummiert.
Die Auswertung berücksichtigt die Form der Welle, die Wellenhöhe (Amplitude) und die Laufzeit (Latenz).
VEP – visuell evozierte Potentiale ermöglichen eine Beurteilung des Sehnerven und der Sehbahn vor allem in der Verlaufsdiagnostik der Entzündung des Sehnervs bei Multipler Sklerose. Bei der Untersuchung betrachtet der Patient ein Schachbrettmuster, das in Sekundenabständen seine Farben umdreht (schwarz wird zu weiß und umgekehrt). Es können beide Augen gleichzeitig oder auch einzeln stimuliert werden. Die dadurch ausgelösten elektrischen Potentiale in der Sehrinde (okzipitaler Kortex) werden aufgezeichnet.
AEP – Akustisch evozierte Potentiale ermöglichen eine Beurteilung der Hörbahn von der Hörschnecke, über den Hörnerv bis zum Hirnstamm. Die AEP werden vor allem im Rahmen der Schwindelabklärung angewandt und dienen wesentlich zur Entdeckung von Akustikusneurinomen.
SSEP - Somatosensibel evozierte Potentiale ermöglichen eine Beurteilung der Bahnen, die Berührung, Lagesinn übermitteln (peripherer, sensibler Nerven – Rückenmark – Gehirn). Über eine Stimulationselektrode in der Nähe eines sensiblen Nerven werden wiederholte elektrische Reize gesetzt. Die Messelektroden werden an der Kopfhaut angebracht. Weitere Messelektroden können entlang dem Nerven und über den Reiz verarbeitenden Zentren des Rückenmarks und Gehirns angebracht werden und messen deren elektrische Reaktion sowie die Laufzeit des Signals. Durch Vergleich der Laufzeiten und der Entfernungen kann dann bestimmt werden, in welchem Abschnitt eine etwaige Verzögerung des Signals aufgetreten ist (Etagendiagnostik). Typische Reizorte sind der Nervus tibialis am Bein oder der Nervus medianus an der Hand, aber auch der Gesichtsnerv. Die Methode ist auch für Träger von Herzschrittmachern geeignet.
MEP - Motorisch evozierte Potentiale dienen in der Diagnostik vor allem der Bestimmung des Funktionszustands, der bei der Ausführung von Willkürbewegungen benutzten Bahn von der primär motorischen Hirnrinde bis beispielsweise zu den Motoneuronen im Rückenmark und weiter über die peripher motorischen Nerven zum Muskel. MEP werden unter anderem eingesetzt zur Diagnostik der amyotrophischen Lateralsklerose (ALS) und der Multiplen Sklerose (MS). Die Methode verwendet die transkranielle Magnetstimulation (TMS). Sie darf nicht bei Trägern von Herzschrittmachern angewendet werden.